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Warum weiße Handschuhe zum Frack, aber nicht in das Archiv gehören

Historische Fernsehdokumentationen sind ein boomendes Genre. Mittlerweile wird auch oft und viel in Archiven und mit Archivalien gedreht. Und was ist da meistens zu sehen? Ein Mensch, wahlweise Historikerin oder Archivar, der mit strahlend weißen Baumwollhandschuhen in kostbaren historischen Dokumenten blättert. Die Einzigartigkeit des Originals wird durch die Verwendung der Handschuhe noch akzentuiert, dem TV-Doku-Konsumenten wird suggeriert: Das Dokument muss besonders wertvoll sein. Wird hingegen mit bloßen Händen geblättert, ist die Zuseherin irritiert: Wieso wird nicht sorgfältiger mit den Archivalien umgegangen?

Was der historisch interessierte und durch zahlreiche TV-Dokus geprägte Zuseher allerdings nicht weiß, ist, dass sich in der archivarischen und bibliothekarischen Fachwelt schon seit mittlerweile mehr als zehn Jahren ein anderer Standard des Archivgut-Handlings durchgesetzt hat. Zuerst zogen die britischen National Archives die Handschuhe aus[1], das Österreichische Staatsarchiv folgte bald deren Beispiel und hob im Juni 2013 die bis dahin geltende Handschuhpflicht in seinen Lesesälen auf.

Die Gründe dafür sind vielfältig:

  1. Handschuhe verringern das Feingefühl in den Fingern. Mit bloßen Händen spüren wir sofort, ob das Papier oder Pergament brüchig oder fragil ist und können es dementsprechend vorsichtig in die Hand nehmen. Mit den Handschuhen verlieren wir dieses haptische Gefühl.
  2. Handschuhe machen uns ungeschickt. Oft sind die Baumwollhandschuhe zu groß und passen nicht richtig. Das erschwert das Umblättern und Auseinanderfalten von Dokumenten.
  3. Handschuhe können an ausgefransten Ecken oder beschädigten Stellen hängen bleiben und damit das Papier oder Pergament weiter beschädigen.
  4. Handschuhe werden schmutzig. Die Handschuhe werden verschmutzt durch Staub, Sporen und Schweiß. Diese Verschmutzungen können durch die Handschuhe von einem Dokument auf das nächste übertragen werden.

Daher ist es für die allermeisten Dokumente aus Papier oder Pergament am schonendsten, wenn sie mit bloßen reinen und trockenen Händen manipuliert werden. Hände waschen vor und nach dem Handling minimiert den Einfluss auf das Objekt und auf die Gesundheit des Benützers[2]. Es gibt nur einige wenige Ausnahmen: Fotografien sowie metallische Objekte sollten stets mit Handschuhen angegriffen werden – ölige und andere Rückstände auf der Haut könnten hier zu Schäden an der Objektoberfläche führen. Ratsam ist es auch, Handschuhe beim Anfassen von Bleibullen zu verwenden, da das Blei giftig ist. Bei schimmeligem Archivgut sollten aus Gesundheitsgründen ebenfalls Einweghandschuhe getragen werden, die nach Gebrauch sofort entsorgt werden.

Wenn also das nächste Mal im Fernsehen eine Archivarin oder ein Historiker mit Handschuhen zu sehen ist, dann wissen Sie: Alles nur für den Showeffekt. Denn bei uns bleiben die Handschuhe – außer wir tragen einen Frack – nach wie vor ausgezogen[3].

Nützliche Links:

Kathrin Kininger

 

[2] Es gibt hingegen keinen Hinweis darauf, dass das Berühren von Papier oder Pergament mit bloßen Händen zu schädlichen chemischen Reaktionen im Objekt führt. Vgl. dazu https://www.ifla.org/wp-content/uploads/2019/05/assets/pac/ipn/ipnn37.pdf (abgerufen am 05.03.2024).