Rapportbuch des Kriegsgefangenenlagers Grödig
Archivale des Monats Jänner 2022
Schon einige Wochen nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges setzte der massenhafte Transport von Kriegsgefangenen ins Hinterland der Donaumonarchie ein. Bis zum Ende des Krieges sollten es bis zu 2,3 Millionen Gefangene werden. Auf die Unterbringung von Kriegsgefangenen in diesem Ausmaß war Österreich-Ungarn nicht vorbereitet, sodass unter Zeitdruck mit der Errichtung zahlreicher Kriegsgefangenenlager begonnen wurde. Ende 1914 erfolgte der Bau eines Lagers in Grödig. Das Barackenlager vor den Toren Salzburgs wurde für die Unterbringung von bis zu 40.000 Kriegsgefangenen konzipiert. Der Lagerbau bestand aus drei Teilen. Lager I und Lager II waren für Kriegsgefangene und Lager III für zivil internierte Personen bestimmt.
Von Anfang an war das Hauptaugenmerk darauf gerichtet, das Kriegsgefangenenlager so autark wie möglich zu verwalten. Auf dem Lagerareal betrieb man deshalb eine Lagerbäckerei, Kuh-, Schweine- und Hühnerställe und zur Küche gehörte ein großer Garten. Die Masse an Menschen täglich zu versorgen, stellte die Lagerverwaltung vor große Herausforderungen. Damit dies funktionieren konnte, musste der exakte Personenstand in Evidenz gehalten werden, weswegen ein Rapportbuch (Meldebuch) geführt wurde. Das vorliegende Rapportbuch Grödig umfasst den Zeitraum vom 7. Mai 1915 bis zum 22. November 1915, also eine Spanne, in der das Lager noch nicht voll ausgelastet war. Die einzelnen Seiten enthalten tägliche Einträge zur Anzahl der kriegsgefangenen russischen (Unter)offiziere und Mannschaften und schlüsseln den Stand der zu verpflegenden Gefangenen auf. Das Frührapportbuch des K.u.K. Kriegsgefangenenlagers Grödig nennt am 8. Mai 1915 zum Beispiel unter Punkt 1: „Verpflegsstand: 256 Offiziere, 2424 Mannschaft.“ Zudem wurden in dem Rapportbuch die Zu- und Abgänge vom und ins Spital, die Namen der "in Strafe befindlichen" Männer sowie sonstige Meldungen und "besondere Vorfallenheiten" festgehalten.
Besonders gegen Ende des Krieges nahm die ausreichende Verpflegung des Kriegsgefangenenlagers aufgrund der allgemeinen Versorgungsengpässe ab. Mit Jahresbeginn 1918 verschlechterten sich die Lebensbedingungen zunehmend, sodass es im April zu einem Lagerstreik kam. Mit dem Frieden von Brest-Litowsk im März 1918 begannen die ersten Rücktransporte von russischen Armeeangehörige in ihre Heimat. Die Rückführung ging nur sehr schleppend voran, sodass erst im November das Lager Grödig vollständig geräumt werden konnte.
Michael Mayr
- Signatur: AT-OeStA/KA ZSt KM SR 115b
- Literatur: Julia Walleczek-Fritz, Kriegsgefangene im Kronland Salzburg im Ersten Weltkrieg, in: Oskar Dohle/Thomas Mitterecker (Hrsg.), Salzburg im Ersten Weltkrieg. Fernab der Front – dennoch im Krieg, Wien/Köln/Weimar 2014, 153-176.