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Das Zweite Kontrollabkommen

Archivale des Monats Juni 2021

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Das Deckblatt des Zweiten Kontrollabkommens (zum Vergrößern in neuem Tab öffnen)
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Artikel 6 aus dem Zweiten Kontrollabkommen (zum Vergrößern in neuem Tab öffnen)

Vor 75 Jahren, genauer gesagt am 28. Juni 1946, wurde von den Hochkommissären der vier Besatzungsmächte das „Abkommen zwischen den Regierungen des Vereinigten Königreiches, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und der Französischen Republik über den Kontrollapparat in Österreich“, das sogenannte Zweite Kontrollabkommen, unterzeichnet. Es räumte der österreichischen Regierung eine erhöhte Handlungsfreiheit gegenüber den Alliierten ein. Zugleich gaben die Westalliierten mit der Vereinbarung den Sowjets freie Hand zur Beschlagnahme des Deutschen Eigentums in ihrer Zone.

Am 20. Oktober 1945 war die Provisorische Staatsregierung von allen vier Besatzungsmächten anerkannt worden. Doch kam der Regierung nicht die oberste Regierungsgewalt im Lande zu. Über ihr stand der Alliierte Rat, dem alle Gesetze zur Zustimmung vorgelegt werden mussten. Alle Gesetze und Regierungsakte bedurften der ausdrücklichen schriftlichen Genehmigung der Besatzungsmächte, bevor sie in Kraft treten konnten. Die Besatzer nahmen die von ihnen beanspruchte Überwachungs- und Kontrollkompetenz gegenüber der Regierung voll in Anspruch. Es war die Periode der „totalen Kontrolle“, wie sie Gerald Stourzh in seinem Aufsatz Die Regierung Renner, die Anfänge der Regierung Figl und die Alliierte Kommission für Österreich, September 1945 bis April
1946
nennt. Diese Phase sollte am 28. Juni 1946 mit dem Inkrafttreten des Zweiten Kontrollabkommens ihr Ende finden.

Im Laufe der ersten Jahreshälfte 1946 zeigte sich, dass der rasche Abschluss eines Staatsvertrags am Widerstand der Sowjetunion scheitern würde. Umso mehr konzentrierten sich die vier Besatzungsmächte stattdessen auf die Verhandlung eines neuen Kontrollabkommens. Denn im Gegenzug zu ihrer Ablehnung der Staatsvertragsverhandlungen auf der Pariser Außenministerkonferenz waren die Sowjets bereit, die Kompetenzen der österreichischen Bundesregierung zu erweitern, wie es die Westmächte schon länger vorgeschlagen hatten.

Folgende Erleichterungen wurden vereinbart: Im Gegensatz zum Ersten Kontrollabkommen, das am 4. Juli 1945 unterzeichnet worden war, sollten nur mehr Verfassungsgesetze der schriftlichen und einstimmigen Zustimmung der Alliierten bedürfen. Bei allen anderen Gesetzen galt die Zustimmung der Alliierten als erteilt, wenn der Alliierte Rat nicht einstimmig binnen 31 Tagen Einspruch erhob. Dieses neue Verfahren bedeutete, dass Gesetze nicht mehr wie bisher durch jede einzelne Besatzungsmacht blockiert werden konnten, sondern nur mehr durch eine einstimmige Ablehnung aller vier alliierten Mächte. In diesem zentralen Punkt, der ihnen anfangs zu weit gegangen war, machten die Sowjets ein Zugeständnis, wohl auch, weil ihnen zwei andere Bestimmungen sehr entgegenkamen. Die eine betraf die Freiheit für jede der vier Mächte, bilaterale Abkommen mit Österreich ohne Genehmigung im Alliierten Rat abschließen zu können. Die andere gab den Besatzungsmächten die Möglichkeit, die Frage des Deutschen Eigentums autonom für ihre jeweilige Zone zu lösen. Somit sicherten sich die Sowjets die volle Handlungsfreiheit über das Deutsche Eigentum in ihrer Zone, inklusive der Erdölindustrie im Marchfeld und der Donaudampfschifffahrt.

Das Zweite Kontrollabkommen hätte eigentlich bloß sechs Monate gelten sollen. Doch blieb es die grundlegende, das Verhältnis zwischen den Besatzungsmächten und Österreich regelnde, Vereinbarung bis zur Auflösung der Alliierten Kommission am 27. Juli 1955 durch das Inkrafttreten des Staatsvertrags.

Helmut Wohnout

Signatur:
ÖSTA/ADR, BKA/AA, Pol, Signatur Österreich 3, GZ. 111820-pol/1946, Zl. 112607-pol/1946

Literatur:

  • Wolfgang Müller, Anstelle des Staatsvertrages: Die UdSSR und das Zweite Kontrollabkommen 1946, in: Manfried Rauchensteiner/Robert Kriechbaumer, Die Gunst des Augenblicks: Neue Forschungen zu Staatsvertrag und Neutralität, Wien/Köln/Weimar 2005, 291-319
  • Manfried Rauchensteiner, Stalinplatz 4. Österreich unter alliierter Besatzung, Wien 2005.
  • Gerald Stourzh/Wolfgang Mueller, Der Kampf um den Staatsvertrag 1945 – 1955. Ost-West-Besetzung, Staatsvertrag und Neutralität Österreichs, Wien/Köln/Weimar 2020.
  • Gerald Stourzh, Die Regierung Renner, die Anfänge der Regierung Figl und die Alliierte Kommission für Österreich, September 1945 bis April 1946, in: Archiv für österreichische Geschichte 125 (1966), 321–342.