Der Gebrauch von Cookies erlaubt uns Ihre Erfahrungen auf dieser Website zu optimieren. Wir verwenden Cookies zu Statistikzwecken und zur Qualitätssicherung. Durch Fortfahren auf unserer Website stimmen Sie dieser Verwendung zu.  Erfahren Sie mehr.

Kein Stein fiel aus der Krone. Die 1000-Jahr-Feier der Krönung Ottos des Großen an der Universität Wien im Jahr 1962

Titelblatt des Festberichts zur Feier zum Gedenken an die Krönung Ottos des Großen. 

Archivale des Monats März 2022

Am 31. Jänner 1962 fand im Großen Festsaal der Universität Wien eine akademische Feier zum Gedenken an die Krönung Ottos des Großen am 2. Februar 962 statt. Veranstaltet wurde diese Feier vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung gemeinsam mit der Universität Wien. Angeregt hatte die Feier Leo Santifaller, Direktor des Instituts und nach 1945 erster Generaldirektor des neugegründeten Österreichischen Staatsarchivs sowie überaus tatkräftiger und durchsetzungsfähiger Wissenschaftsorganisator. Die Feier stand unter dem Ehrenschutz des damaligen Bundespräsidenten Adolf Schärf, der ebenso teilnahm. Die Reden beim Festakt hielten der Rektor der Universität Wien, Franz Arnold, Unterrichtsminister Heinrich Drimmel und Leo Santifaller. Drimmel betonte in seiner Rede die Mittlerfunktion des ottonischen Reiches als „einer Ordnungsmacht des Rechts in Parallele zum heutigen Europa“. Er endete mit einem Zitat Friedrich Heers: „Geschichte ist Gegenwart. Tradition ist Verpflichtung“. Das Heer-Zitat ist insofern bemerkenswert, da dieser wohl kein Freund Drimmels war und die akademische Karriere Heers von Santifaller nach Kräften be- und auch verhindert wurde. Santifaller behandelte in seiner Rede das Thema „Otto der Große, das Imperium und Europa“.
 

Bundespräsident Adolf Schärf und die Reichskrone, um die es Querelen gab, im Festsaal der Universität Wien (zum Vergrößern in neuem Tab öffnen).

Im Mittelpunkt der akademischen Feier im Großen Festsaal der Universität Wien, an der u.a. auch der Kardinal Erzbischof von Wien, Franz König, teilnahm, stand jedoch die Krone des Heiligen Römischen Reiches aus der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien. Um deren Entlehnung entbrannte ein heftiger Streit zwischen Santifaller und Vinzenz Oberhammer, dem damaligen Ersten Direktor des Kunsthistorischen Museums. Aus dem Nachlass Santifallers lässt sich rekonstruieren, dass die Planungen für die „Otto Feier“ früh im Jahr 1961 begonnen hatten.

Der Brief Heinrich Drimmels an Leo Santifaller (zum Vergrößern in neuem Tab öffnen).

Treibende Kraft waren Santifaller und Hermann Fillitz, der damalige Leiter der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums. Offenbar kam im Laufe der Planungen die Idee auf, die Krone aus dem Museum in die Universität zu bringen. Hier fühlte sich Oberhammer übergangen, der, durchaus verständlich, strikt gegen eine Verbringung der Krone aus der Schatzkammer war und dies Santifaller am 4. Jänner 1962 per Brief mitteilte. Am 8. Jänner intervenierte Santifaller in dieser Sache bei Bundesminister Drimmel. Die Zeit drängte, die Feier sollte ja in drei Wochen stattfinden, auch war bereits die militärische Ehrenwache für die Krone mit Bundespräsident und Verteidigungsminister abgesprochen. Drimmel scheint in weiterer Folge die Weisung gegeben zu haben, dass die Krone zu entlehnen sei. Daraufhin sah sich Fillitz gezwungen, sich von der weiteren Mitwirkung an der Feier zurückzuziehen. In einem Brief an Santifaller legte er seine Sicht der Dinge dar und sprach recht unverklausuliert dessen Intervention bei Drimmel an, die ihn in Schwierigkeiten brachte. Abgeschlossen wurde die Sache dann anscheinend bei einer Besprechung im Unterrichtsministerium, von der ein handschriftlicher Aktenvermerk Santifallers existiert, in der er die Äußerung Oberhammers festhält: „Er gebe die Krone einzig und allein heraus, weil es der Minister befiehlt“. 

„Er gebe die Krone einzig und allein heraus, weil es der Minister befiehlt.“ Der Aktenvermerk Leo Santifallers (zum Vergrößern in neuem Tab öffnen).

Nachdem die Querelen um die Krone geklärt waren, konnten der Festakt und die daran anschließende wissenschaftliche Tagung stattfinden. Bei dieser referierten Percy Ernst Schramm, Eugenio Dupré-Theseider, Heinrich Felix Schmid und Werner Ohnsorge. Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung publizierte die Tagung als 20. Ergänzungsband seiner Mitteilungen, erweitert um zwei Beiträge von Harald Zimmermann. Weitere Publikationen im Zusammenhang mit dem Jubiläum waren Herwig Wolframs „Splendor Imperii“ und Herbert Paulharts „Lebensbeschreibung der Kaiserin Adelheid von Odilo von Cluny“. Alles in allem eine beeindruckende mediävistische Leistungsschau des Instituts. 

Das Presseecho zum Festakt war durchaus groß. Der Wiener „Kurier“ berichtete zum Beispiel am 27. Jänner 1962 über den Streit wegen der Krone, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ publizierte am 10. Februar 1962 einen großen Artikel von Michael Freund mit dem Titel „Das trügerische Jahrtausend“, der einigen Widerspruch in den Leserbriefspalten fand. Die Zeitung „Neues Österreich“ titelte am 1. Februar 1962 mit der durchaus gelungenen Schlagzeile „Kein Stein fiel aus der Krone“ und berichtete über den unter Polizeischutz stehenden Transport. Am gleichen Tag berichtete abermals der „Kurier“ am Titelblatt über die Bewachung der Krone, die in der Verantwortung des Wiener Sicherheitsbüros lag. 

Porträt Leo Santifaller

Gleich nach dem Ende des Festaktes wurde die Krone wieder zurück in die Schatzkammer gebracht und hat diese seitdem auch nie wieder verlassen. 

Thomas Just

Signatur: Nachlass Santifaller, Korrespondenz zur Jahrtausendfeier der Kaiserkrönung Ottos des Großen an der Universität Wien: AT-OeStA/HHStA SB Nl Leo Santifaller 22-1