Die „Allgemeine Schulordnung“ Maria Theresias vom 6. Dezember 1774 – 250 Jahre Unterrichtspflicht in Österreich

Archivale des Monats Dezember 2024

Abbildung Schulordnung
Schreiblektion, Kupferstich um 1775, aus: Anleitung zum Schönschreiben nach Regeln und Mustern oder Vorschriften zum Gebrauche der deutschen Schulen in den kaiserl. königl. Staaten, Wien 1775. Die Transkription des Textes können Sie unterhalb herunterladen.
 

Mit der „Allgemeinen Schulordnung“ wurde von Maria Theresia am 6. Dezember 1774 die Unterrichtspflicht für Kinder „beyderley Geschlechts“ im Alter von sechs bis zwölf Jahren angeordnet. Diese Schulordnung stellt einen Meilenstein in der Geschichte des österreichischen Bildungswesens dar. Nicht nur für die Volksschule wurde der Grundstein gelegt, auch für die Lehrerbildung wurden erstmals Normen festgelegt und einheitliche Schulbücher eingeführt.

Lange galt das Schulwesen als Angelegenheit der Kirche, als „Ecclesiasticum“, bis Maria Theresia mit ihrer vielzitierten Feststellung „das Schulwesen aber ist und bleibet allzeit ein Politikum“ die Zuständigkeit des Staates klarstellte. Mit dem Anspruch des Staates auf die Schulhoheit war es auch erforderlich, die entsprechenden Maßnahmen zur Regelung des Unterrichtswesens, das in erster Linie den Erfordernissen des Staates und nicht dem Wohl des Individuums dienen sollte, vorzugeben.

Titelblatt Schulordnung
Titelblatt der Allgmeinen Schulordnung (OeStA/AVA Unterricht StHK, Ktn. 87, Zl. 72 ex 1774, fol. 1r).

Ignaz Felbiger, Abt des Augustiner Chorherrenstiftes Sagan in Schlesien und damit preußischer Untertan, galt als hervorragender Fachmann für Schulfragen. Er wurde von Maria Theresia zu Rate gezogen und die „Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen“ beruhte schließlich auf Felbigers Entwurf. Die Bezeichnung „deutsch“ steht dafür, dass in der Muttersprache und nicht in lateinischer Sprache unterrichtet wurde.

Die Trivialschulen hatten in allen Orten mit Pfarr- oder Filialkirchen zu bestehen. Hier wurden die Schülerinnen und Schüler in Religion, Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet. In größeren Städten wurden Hauptschulen eingerichtet, wo neben Gegenständen wie Geschichte oder „Erdbeschreibung“ auch der „Anfang im Lateinischen“ gelehrt wurde. Die Normalschulen, „welche die Richtschnur aller übrigen Schulen in der Provinz sind“, wurden am Standort der Schulkommission, die als Aufsichts- und Verwaltungsorgan fungierte, in jeder Provinz eröffnet. Diese Schulen verfügten über ein im Vergleich zur Hauptschule erweitertes Angebot an Lehrgegenständen samt einem ausführlicheren Lateinunterricht und waren im Rahmen von „Präparandenkursen“ vor allem für die Ausbildung der Lehrer zuständig.

Statt dem Besuch einer Schule erlaubte die Schulordnung aber auch den Unterricht durch Hauslehrer. Die Schulordnung gab außerdem vor, wie die Schulgebäude beschaffen sein sollten: „Und da es nöthig ist, daß die Schüler durch die häuslichen Geschäfte der Weiber, Kinder, und Dienstleute der Lehrer nicht gestöret werden, mithin daß die Schulstuben durchaus nicht zu irgendeinem anderen Gebrauche dienen, so muß die Schulstube auch sogar auf dem Lande von der Wohnung des Schulmeisters abgesondert seyn […]. Bey dem Erbauen solcher Schulstuben ist nicht nur auf den nöthigen Raum, und den Einfall eines genugsamen Lichtes, nicht minder in Haupt- oder größeren Schulen auf einen geraumigen Ort zu Vornehmung der Prüfungen der Bedacht zu nehmen, sondern auch Sorge zu tragen, daß die Schule mit Bänken, Tischen, Schultafeln, Dintenfässern, und anderem nöthigen Geräthe, wie auch mit einem verschlossenen Schränkel zur Bewahrung der Bücher versehen sey.“

Schulordnung Unterschrift
Die Unterschriftenseite mit der Unterschrift Maria Theresias (OeStA/AVA Unterricht StHK, Ktn. 87, Zl. 72 ex 1774, fol. 13r).

Der Aufbau eines auf breiter Basis der Bevölkerung angelegten Bildungswesens ermöglichte es auch Kindern aus den ärmsten Bevölkerungsschichten daran teilzuhaben. Es wurde damit zudem der Erkenntnis Rechnung getragen, dass sowohl eine leistungsfähige Wirtschaft als auch die staatliche Verwaltung entsprechend ausgebildete Personen brauchten, um steigenden Anforderungen standhalten zu können.

Die Schulreform Maria Theresias zählt zweifellos zu ihren nachhaltigsten Neuordnungen. Es wurde nicht nur bestimmt, dass niemand ohne entsprechende Ausbildung unterrichten dürfe, auch durch die alleinige Verwendung approbierter Schulbücher wurden neue Maßstäbe gesetzt. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass Widerstände zu überwinden und vielfältige Probleme zu lösen waren, bis die Institutionalisierung des Primarschulwesens greifen konnte. Der Grundstein war jedenfalls gelegt und die neue Schule, die die gesamte Bevölkerung einschloss, konnte sich nach und nach durchsetzen.

Susanne Kühberger

Die Transkription des auf dem Kuperstich vorhandenen Textes können Sie hier herunterladen (PDF, 80 KB)

 

Signatur:
OeStA/AVA Unterricht StHK, Ktn. 87, Zl. 72 ex 1774, fol. 1-29

Literatur:

  • Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs. Bd. 3: Von der frühen Aufklärung bis zum Vormärz, Wien 1984.
  • Rudolf Gönner, Bildungsreform als Staatspolitik. Zu den Wirksamkeiten Maria Theresias auf dem Gebiete des Schulwesens, in: Maria Theresia und ihre Zeit. Eine Darstellung der Epoche von 1740–1780 aus Anlaß der 200. Wiederkehr des Todestages der Kaiserin, hrsg. von Walter Koschatzky, Salzburg–Wien 1979, S. 209–212.