Zucker – ein (bitter-)süßer Gruß aus der Karibik
Archivale des Monats Jänner 2025
Zucker war Mitte des 18. Jahrhunderts ein sehr gefragtes und teures Luxusgut, dessen Verwendung sich langsam über Adelskreise hinaus popularisierte. Daneben war auch der Einsatz als Arznei noch durchaus üblich. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Rohrzucker, der in Plantagenwirtschaft, v.a. in der Karibik und in Nordamerika, von Sklaven erzeugt wurde und zur Weiterverarbeitung nach Europa kam. Die westeuropäischen Kolonialmächte dominierten Zuckerproduktion und -handel.
Die erste Zuckerraffinerie in der Habsburgermonarchie wurde in Fiume (Rijeka) gegründet und im Oktober 1750 durch Maria Theresia selbst genehmigt. Ausgestattet mit einem ausschließlichen Privileg über 25 Jahre und einer Reihe weiterer Freiheiten, konnte die Fiumaner Handlungsgesellschaft des Urbano Arnoldt schnell reüssieren. Verlängert wurde das Privileg nach Ablauf der 25 Jahre nicht mehr, weil der stark gestiegene Bedarf mehrere Fabrikationsstätten benötigte, die im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts in Klosterneuburg, Wiener Neustadt, Prag und Wien gegründet wurden.
Die durch Frankreich im November 1806 verfügte Kontinentalsperre in Verbindung mit dem erfolgreichen Sklavenaufstand in Saint Domingue (heute Haiti) 1804 brachte den Nachschub an Rohrzucker in Europa fast zum Versiegen. Der Rohstoff Runkelrübe, prinzipiell seit Mitte des 18. Jahrhunderts als mögliche Basis für die Zuckerproduktion bekannt, fand den Weg aus den Laboren in die Fabriken, wurde aber erst ab 1820 durch verbesserte Züchtungen in großem Maßstab eingesetzt.
Was einem Akt alles passieren kann:
Der Ausgangspunkt für dieses Geschäftsstück war der Import von einem Fass „Krystyrzucker“ aus Sachsen durch den Händler Moyse Austerlitz. Das Haupteinbruchsamt Peterswald (Petrovice) an der böhmisch-sächsischen Grenze fragte bei der Ministerialbankodeputation an, wie der im Zolltarif von 1795 nicht angeführte „Kristyrzucker“, im Akt findet sich auch der Ausdruck „Klistierzucker“, zolltariflich zu behandeln wäre – die Antwort lautete: wie brauner Zucker („Saccharum Thomae“). Dazu wurde auch in einem Papierbriefchen eine Warenprobe eingesandt, das nach Erledigung im Akt verblieb. Dieser gelangte über die Registratur in das Archiv, und der Zucker begann sich in den folgenden 240 Jahren unter der Luftfeuchtigkeit und dem Druck des Aktenfaszikels aufzulösen und das gesamte Papier zu durchtränken. Heute ist der Zucker verschwunden, nur seine dunkelbraunen Spuren finden sich noch auf dem ansonsten trockenen Papier, was dem Akt sein besonderes Aussehen verleiht.
Herbert Hutterer
Signaturen:
- AT-OeStA/FHKA NHK Baale Akten Böhmen 2.694
- AT-OeStA/FHKA NHK Kommerz Lit Akten 885)
- AT-OeStA/FHKA SUS KS, N-382
Literatur
- Werner Kohl, Susanna Steiger-Moser (Hg.): Die österreichische Zuckerindustrie und ihre Geschichte(n) 1750–2013.- Böhlau Wien – Köln – Weimar 2014