Der Wiener Frieden vom 30. April/1. Mai 1725
Archivale des Monats Mai 2025

Am 1. November 1700 starb Karl II. von Spanien und löste damit den Konflikt um das spanische Erbe zwischen den österreichischen Habsburgern sowie den Bourbonen aus. In diesem von Dynastien geprägten Europa bedeuteten Erbfolgekrisen oft auch militärische Konflikte zwischen den europäischen Mächten, die ihre Ansprüche auf das Erbe oder Teile davon durchsetzen wollten. Dies geschah nicht nur mit Hilfe der militärischen Fähigkeiten, sondern auch mit den nicht minder scharfen Waffen der Diplomatie. Prinz Eugen war als Feldherr, aber auch als Diplomat, sowie bei der Etablierung einer „Geheimdiplomatie“ erfolgreich. Im Spanischen Erbfolgekrieg kämpften der Enkel Ludwigs XIV., Philipp, sowie der habsburgische Kandidat Erzherzog Karl, der jüngere Sohn Leopolds I., um die spanischen Ansprüche ihrer durch etliche Heiraten mit den spanischen Habsburgern eng verwandten Dynastien. Mehrere Todesfälle in Wien und Paris spitzten die Erbfolgefrage zu. Insbesondere der Tod Leopolds I. und dessen älteren Sohns Joseph I. bedeuteten die Rückkehr Karls nach Wien, der auch unmittelbar als Karl VI. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs aufstieg. Da die mit ihm verbündeten anderen europäischen Mächte nicht an einer neuerlichen Verbindung Wiens und Madrids wie in Zeiten Karls V. interessiert waren, führte dies zu Ausgleichsverhandlungen, um ein gewisses Mächtegleichgewicht zu erhalten.

Nach dem Westfälischen Friedenskongress und insbesondere auch nach den Friedenskongressen am Ende des Spanischen Erbfolgekriegs begann sich diese Form des Verhandelns um mehr oder minder berechtigte Ansprüche bis hin zu einem regelrechten Ländertausch als Konfliktlösung durchzusetzen. Ein Friede zwischen dem Habsburger Karl VI. sowie dem nunmehrigen bourbonischen spanischen König Philipp V. konnte jedoch zunächst nicht erreicht werden. Der eine trauerte um sein „habsburgisches“ Erbe, der andere wollte die Verluste der ehemals spanischen Territorien insbesondere in Italien nicht akzeptieren. Die Folge war ein neuerlicher Konflikt (Krieg der Quadrupelallianz 1717–1720) eben um diese Länder in Italien, der in neuerliche Friedensverhandlungen mündete. Da sich der nach Cambrai bestimmte Kongress jedoch hinauszögerte und insbesondere die Vermittler Großbritannien und Frankreich zunehmend an Vertrauen einbüßten, kam es zu einer diplomatischen Wende. Madrid und Wien begannen direkt zu verhandeln. Dazu bestimmte das spanische Königspaar den Holländer Johan Wilhelm Baron von Ripperda, der später kurz zum einflussreichen Minister aufsteigen und nach seinem Sturz im Exil in Marokko enden sollte. Man war bemüht, die Verhandlungen geheim zu halten, Ripperda reiste und lebte in Wien unter einem anderen Namen.

Konkret wurden neben territorialen und Handelsfragen auch jene der Anerkennung der Pragmatischen Sanktion, der Führung des spanischen Königstitels, einer Teilung des Vliesordens, einer Amnestie der jeweiligen Parteigänger oder der Behandlung der den Erzherzog unterstützenden Königreiche (z. B. Katalonien) thematisiert. Das spanische Königspaar drängte auf Ehen zwischen den Infanten und den Töchtern Karls VI. In Wien wollte man in dieser Frage auf Zeit spielen und den möglichen Frieden an dieser Sache nicht scheitern lassen. Die erzwungene Abreise der eigentlich zur Ehefrau Ludwigs XV. bestimmten, erst siebenjährigen spanischen Infantin aus Paris erzürnte Madrid erheblich, weshalb man schließlich den Wiener Frieden am 30. April 1725 schloss. Am 1. Mai 1725 erfolgte die Unterzeichnung eines Handelsvertrags, der für die wirtschaftspolitischen (maritimen) Ambitionen der Habsburgermonarchie nicht minder wichtig war (Ostendische Kompanie).
Dieser unerwartete Frieden führte zu einer Umstrukturierung der europäischen Allianzen, auch wenn Madrid und Wien diesen auf Grundlage der Quadrupelallianz geschlossen hatten. Nicht von ungefähr betonte Reichsvizekanzler Friedrich Karl Graf von Schönborn in einem Schreiben an den im „paradiso brukensi“ weilenden Aloys Thomas Raimund Graf Harrach den Abschluss auf Grundlage der „4pel allianz“. Um diese Vereinbarkeit mit den bestehenden Verträgen zu verdeutlichen, wurden Drucke des Friedens verbreitet, u. a. konnte dieser auch als Beilage in der Wiener Zeitung gelesen werden. Großbritannien fürchtete jedoch geheime Absprachen, etwa eine Bedrohung der erst 1714 erfolgten hannoveranischen (protestantischen) Thronfolge durch Unterstützung des katholischen Stuartprätendenten oder einen Verlust des erst im Spanischen Erbfolgekrieg gewonnenen Gibraltars. Schlossen sich Großbritannien, Frankreich und Preußen mit anderen europäischen Mächten gegen das Wiener Bündnis zusammen, verbanden sich Wien und Madrid ebenso noch enger und bezogen andere Mächte wie etwa Russland in ihr Bündnissystem ein. In der Folge stand immer wieder ein neuerlicher gesamteuropäischer militärischer Konflikt im Raum.

Letztlich endete das 1725 geschlossene Bündnis nach wenigen Jahren, da sich Spanien mit dem Vertrag von Sevilla 1729 dem Bündnissystem um Großbritannien und Frankreich anschloss. Die Allianz scheiterte nicht zuletzt aufgrund der unerfüllten Hoffnungen Spaniens auf eine Eheverbindung mit Maria Theresia, der ältesten Tochter des Kaisers. Mit dem seit 1723 am Wiener Hof weilenden Ehekandidaten Franz Stephan von Lothringen und der Ehe Ludwigs XV. mit Maria Leszczyńska waren bereits Rahmenbedingungen für den bald ausbrechenden Polnischen Thronfolgekrieg gesetzt.
Stefan Seitschek
Signaturen:
- AT-OeStA/FHKA SUS Patente 55.14: Friedenstraktat mit Spanien (30. April 1725)
- AT-OeStA/FHKA SUS Patente 55.15: Handelsvertrag zwischen Karl VI. und Philipp V. von Spanien (1. Mai 1725)
- AT-OeStA/AVA Familienarchive Harrach FA Familie in spec 98.13: Schönborn, Friedrich Karl Graf (2. Mai 1725)