Der Nachlass Hermann Langbein
Archivale des Monats Jänner 2023
Am 27. Jänner wird alljährlich der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau gedacht. Die Erinnerung an dieses Datum wie auch andere Erinnerungsarbeit ist in Österreich eng mit dem Namen Hermann Langbein (1912-1995) verbunden. Er war selbst von August 1942 bis August 1944 als Häftling in Auschwitz-Birkenau, nachdem er bereits zuvor im KZ Dachau inhaftiert gewesen war. Nach Kriegsende sah er es als seine lebenslange Aufgabe, die Verbrechen in den Konzentrationslagern zu dokumentieren und zu erforschen, sich für die Strafverfolgung der Täterinnen und Täter sowie für die Entschädigung der Opfer einzusetzen. Gemeinsam mit anderen Häftlingen des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau gründete er 1954 das Internationale Auschwitz Komitee (IAK) und war bis zum Jahr 1960 dessen erster Generalsekretär. In dieser Funktion nahm er auch an Befreiungsfeiern in Auschwitz teil. Das hier gezeigte Foto zeigt ihn an der Spitze einer Kranz-Niederlegung am 27. Jänner 1957.
Langbein war bereits 1933 in die KPÖ eingetreten und nach Kriegsende war er einige Zeit hauptamtlich für sie tätig, wurde aber aufgrund seiner kritischen Haltung zum Stalinismus 1958 aus der Partei ausgeschlossen. Seine Enthebung als Generalsekretär des IAK bei einer Generalversammlung in Warschau im Juni 1960 war ebenfalls eine Folge seiner Kritik an der kommunistischen Herrschaftspraxis in Osteuropa. Danach war es für Langbein schwierig, einen neuen organisatorischen Rahmen für seine Tätigkeiten zu finden, er ließ sich 1963 aber überzeugen, das Comité International des Camps (CIC) mitzubegründen, das sich im Gegensatz zum IAK in seinen Statuten zu parteipolitischer Unabhängigkeit verpflichtete.
Langbein forderte als Arbeitsschwerpunkte des CIC NS-Prozesse und Entschädigungsverhandlungen. Er war zu Beginn der 1960er Jahre vor allem mit dem Frankfurter Auschwitz-Prozess beschäftigt, bei dem er auch als Zeuge auftrat. Unter anderem dafür erhielt er 1967 von der Yad Vashem Gedenkstätte den Titel „Gerechter unter den Völkern“. Damit verbunden wurde ein Baum für ihn gepflanzt. Hermann Langbein war auch Zeit seines Lebens publizistisch tätig. Eines seiner bekanntesten Bücher „Menschen in Auschwitz“ erschien 1972 erstmalig, erfuhr zahlreiche weitere Auflagen und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Die hier gezeigte Manuskriptseite zeigt eigenhändige handschriftliche Korrekturen an der ersten Fassung des Manuskripts. Bis zu seinem Tod 1995 engagierte sich Hermann Langbein unermüdlich für seine Lebensaufgabe. Die große Anzahl der von ihm gesammelten und verfassten Unterlagen, die heute als Nachlass Langbein im Österreichischen Staatsarchiv (ÖStA) aufbewahrt werden, geben beredtes Zeugnis davon ab.
Pia Wallnig
Signatur: AT-OeStA/AVA Nachlässe NZN E/1797
Literatur:
- Neue österreichische Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau: ÖStA stellt Langbein-Kartei zur Verfügung
- Brigitte Halbmayr, Zeitlebens konsequent. Hermann Langbein - Eine politische Biografie, Wien 2012.
- Anton Pelinka/Erika Weinzierl (Hg.), Hermann Langbein - Festschrift zum 80. Geburtstag, Wien 1993.
- Katharina Stengel, Hermann Langbein. Ein Auschwitz-Überlebender in den erinnerungspolitischen Konflikten der Nachkriegszeit (Wissenschaftliche Reise des Fritz Bauer Instituts, Band 21), Frankfurt - New York 2012.