Geschichte: Allgemeines Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv (AVAFHKA)

Komplexe Geschichte

Das AVAFHKA zeigt von allen Abteilungen die komplexeste Geschichte und Struktur – ein Konglomerat, das seit seinen Anfängen über Jahrhunderte aus verschiedenen Archiven der Zentralverwaltung zu seiner heutigen Ausdehnung wuchs: Den Kern des Allgemeinen Verwaltungsarchivs bildete das Archiv des Inneren und der Justiz, später kamen das Unterrichtsarchiv, das Archiv des Handelsministeriums, das Adelsarchiv – eigentlich die Gratialregistratur des Innenministeriums – ein Teil des Verkehrsarchivs, mehrere Familienarchive, eine große Anzahl Nachlässe und Sammlungen sowie die "Audiovisuelle Sammlung" dazu. Die Fusion mit dem Finanz- und Hofkammerarchiv 2006 setzte den vorläufigen Schlusspunkt in dieser Entwicklung.

Bescheidene Anfänge

Das erstmals 1578 erwähnte Hofkammerarchiv ist das älteste der Wiener Zentralarchive. Ursprünglich war die Hofkammer für die Verwaltung des landesfürstlichen Eigenbesitzes und die Finanzierung des Hofstaates zuständig, befasste sich dann mehr und mehr mit der Aufbringung der Gelder für die Staatsverwaltung und das stehende Heer. Im 18. Jahrhundert entwickelte es sich zu einem "Superministerium", das Finanzen, Handel, Wirtschaft, Bergbau und Verkehr gleichermaßen betreute.

Die Zusammenfassung jenes Schriftguts, das bei den Zentralbehörden für innere Verwaltung in der Habsburgermonarchie (österreichische Abteilung der Reichshofkanzlei, ab 1620 Österreichische und Böhmische Hofkanzlei) angefallen war, erfolgte erstmals 1749 im Zuge der Schaffung des „Directorium in publicis et cameralibus“, der zeitweiligen Fusion der Finanzverwaltung mit der politischen Verwaltung, in einem eigenen Hofkanzlei-Archiv.

Als Annex dieser „Alten Registratur“, die das Behördenschriftgut der Zeit von 1748 bis 1792 betreute, fristete das „Archiv“ ein trostloses Schattendasein. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als „Alte Registratur“ und „Archiv“ zusammenwuchsen, wurde der Aktenbestand zudem durch rigorose Skartierungen und großzügige Abtretungen an das Haus-, Hof- und Staatsarchiv und die Nationalbibliothek erheblich gelichtet.

Die Revolution von 1848 und der darauf folgende Umbau der gesamten Staatsverwaltung beendeten die mehr als 300 jährige Geschichte der Hofkammer wie auch der Hofkanzlei. Ihre weit gespannten Agenden wurden auf mehrere neu geschaffene Ministerien und Ämter aufgeteilt.

Das Ende der Monarchie brachte neben der Abgabe großer Mengen von Akten an die Archive auch erste Zentralisierungsbemühungen in der österreichischen Archivlandschaft.

Die Katastrophe des Justizpalastbrandes 1927

Das Staatsarchiv des Innern und der Justiz befand sich zunächst in einem Ministeriumsgebäude in der Wipplingerstraße im ersten Wiener Gemeindebezirk. Der dort herrschenden Raumknappheit wurde durch eine Übersiedlung in neu adaptierte Räumlichkeiten im Justizpalast begegnet. Ausgerechnet diese Bestände wurden durch einen Brand am 15. Juli 1927 zu etwa 75 Prozent vernichtet. Der Justizpalastbrand gilt damit auch als größte Archivkatastrophe in Österreich im 20. Jahrhundert. Ein erheblicher Teil der Archivalien konnte nur schwer beschädigt gerettet werden ("Brandakten").

Seit 1983 ein "historisches Archiv"

1983 ging die Übernahme aktueller Akten aus den Ministerien an das neu gegründete Archiv der Republik über, an das auch die jüngeren Teile der Behördenregistraturen ab 1918 abgegeben wurden. Nur in den Bestandsgruppen "Unterricht" und "Justiz" sind 1940 beziehungsweise 1945 die Grenzjahre. Die Bestände des aufgelösten Verkehrsarchivs (1897 als "Eisenbahnarchiv" gegründet) wurden zwischen Allgemeinem Verwaltungsarchiv und Archiv der Republik geteilt.

Heute findet sich im AVAFHKA das Schriftgut der Zentralbehörden der Habsburgermonarchie ab dem 16. Jahrhundert, zuständig für die politische, finanzielle und wirtschaftliche Verwaltung.

Insgesamt umfassen seine Bestände zirka 45 000 Laufmeter Akten und Bücher, mehrere Karten- und Plansammlungen mit zirka 33 000 Plänen, zirka 8 600 Urkunden und 90 000 Fotos.

Bestandsstruktur

Das Allgemeine Verwaltungsarchiv gliedert sich in die Bestandsgruppen (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Adelsakten (1500-1918)
  • Audiovisuelle Sammlung (1918-2005)
  • Familienarchive (1330-2000)
  • Handel (1848-1918)
  • Inneres (1550-1918)
  • Justiz (1749-1945)
  • Karten- und Plansammlung (1750-1950)
  • Landwirtschaft (1868-1918)
  • Nachlässe (1800-2000)
  • Unterricht und Kultus (1500-1940)
  • Verkehr (1824-1918)

Das Finanz- und Hofkammerarchiv gliedert sich in die Bestandsgruppen:

  • Alte Hofkammer – Hoffinanz (1500-1762)
  • Neue Hofkammer und Finanzministerium (1749-1918)

Literatur

  • Inventar des Allgemeinen Archivs des Ministeriums des Innern (= Inventare österreichischer staatlicher Archive 1), Wien 1909
  • Inventar des Archivs des k. k. Finanzministeriums (= Inventare österreichischer staatlicher Archive 2), Wien 1911
  • Inventar des Verkehrsarchivs (= Inventare österreichischer Archive 9), Wien 1959
  • Inventar des Wiener Hofkammerarchivs (= Inventare österreichischer Archive 7; Inventare österreichischer Archive 7/1: Registerband), Wien 1951 und 1958
  • Benard, Anne-Gaëlle: Guide des Archives Nationales Autrichiennes à l’usage du lecteur francophone. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs. Inventare 1 (1995), 63-82 und 116-132
  • Göbl, Michael: Das "neue" Allgemeine Verwaltungsarchiv. In: Scrinium 43/1990, 140-151
  • Göbl, Michael: Zur Geschichte des Allgemeinen Verwaltungsarchivs. In: Schatzhäuser Österreichs. Das Österreichische Staatsarchiv. Wien 1996, 30-41
  • Göbl, Michael: Vom Judenplatz zur Wallnerstraße. Über die Anfänge des Allgemeinen Verwaltungsarchivs. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43 (1993), 21-42
  • Goldinger, Walter: Das ehemalige Adelsarchiv. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13 (1960), 486-502
  • Goldinger, Walter: The Allgemeines Verwaltungsarchiv. In: Austrian History Yearbook 6/7 (1970-71), 17-21
  • Mikoletzky, Hanns Leo: Aus der Frühgeschichte eines Wiener Archivs. Personal und Besoldung im Hofkammerarchiv 1775 bis 1875. In: Archivar und Historiker. Studien zur Archiv- und Geschichtswissenschaft. Festschrift Heinrich Otto Meisner (= Schriftenreihe der staatlichen Archivverwaltung 7), Berlin 1956, 121-140
  • Mikoletzky, Hanns Leo: The Finanz- und Hofkammerarchiv. In: Austrian History Yearbook 6/7 (1970-71), 22-38
  • Mraz, Gottfried: Das Wiener Hofkammerarchiv als Finanz- und Wirtschaftsarchiv von europäischer Bedeutung. In: Scrinium 26/27 (1982), 304-308
  • Schwanke, Robert: Menschliche Aspekte der Archivkatastrophe vom Jahre 1927. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28 (1975), 423-434
  • Sapper, Christian: Das Finanz- und Hofkammerarchiv. In: Schatzhäuser Österreichs. Das Österreichische Staatsarchiv. Wien 1996, 42-50
  • Sapper, Christian: Das Hofkammerarchiv als Forschungsstätte für den Wirtschaftshistoriker. In: Scrinium 26/27 (1982), 309-314
  • Sapper, Christian: Das Hofkammerarchiv im Wandel der Zeiten. Vom Aktenfriedhof zur Forschungsstätte für den Historiker. In: Franz Grillparzer, Finanzbeamter und Archivdirektor. Festschrift zum 200. Geburtstag. Wien 1991, 147-180
  • Seidl, Jakob: Das Brandunglück im Staatsarchiv des Innern und der Justiz zu Wien. In: Archivalische Zeitschrift 37 (1928), 184-191
  • Seidl, Jakob: Das Staatsarchiv des Innern und der Justiz in Wien. In: Archivalische Zeitschrift 36 (1926), 86-96
  • Seidl, Jakob: Die Ordnungsarbeiten im österreichischen Staatsarchiv des Innern und der Justiz. In: Archivalische Zeitschrift 39 (1930), 168-175
  • Winkelbauer, Walter F.: Das k. u. k. Reichsfinanzministerium und seine Registraturen 1868 bis 1918. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28 (1975), 236-248
  • Winkelbauer, Walter F.: Von der Registratur zum Archiv. Die Entwicklung des Finanzarchivs (Archivs des Finanzministeriums) in Wien 1829 bis 1892. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14 (1961), 492-506